Sonntag, 8. November 2009

Das Ende einer tiefgründigen Beziehung

Viele Tage verbringe ich damit, meine Nase zwischen den Seiten eines Buches zu versenken und darin abzutauchen. Es gibt solche, die ich verschinge, andere lese ich nur ganz bedächtig. Doch eines gestaltet sich immer gleich - Das Ende.
Ich gelange auf die letzte Seite eines Buches und erwarte sehnsüchtig die letzten prägenden Worte. Und dann ist er da. Der letzte Satz. Ihm widme ich ganz besonders viel Aufmerksamkeit, ohne es zu bemerken. Er wird mit einer unglaublichen Sorgfalt gelesen, in der schon die Trauer des Endes mitschwingt. Denn dieser letzte Satz bedeutet das Ende einer Beziehung mit dem Buch, der Geschichte und den Figuren, die man zu Beginn eingegangen ist. Man hat Abneigung oder Symphatien entwickelt, die Art und Weise des Schreibens zu schätzen gelernt und hat sich selbst mit den Themen und Gedanken befasst, die das Geschriebene behandeln. Man hat mit dem Buch gelacht, geweint, sich die Langeweile vertrieben, erlebt, was man nur mit Büchern zu erleben vermag. Und das alles endet durch diesen einen letzten Satz, von dem man von Anfang an weiss, dass es ihn gibt und dass er ohne Zweifel kommen wird. Und dannach folgt die Leere.

Doch mit der Leere folgen die Gedanken. Ich komme bei keinem Buch drum herum, die letzte Seite noch eine Weile anzustarren oder gar den Worten nachzufahren, während die letzten Worte noch einmal durch meine Gedanken huschen und sich darin einbrennen. Dann schliesse ich sorgfälltig das Buch, streiche über den Buchrücken, um es schliesslich langsam umdrehen, damit ich den Titel noch einmal lesen kann.
Es ist mir nie sonderlich aufgefallen, was ich da tue. Bis heute, als ich einmal mehr einen Roman zu Ende gelesen habe. Und da habe ich gemerkt, dass sich das als kleines, nennen wir es Ritual, festgesetzt hat. Es hat mich dazu gebracht, mich zu fragen, wie andere Leser das Ende eines Buches - einer tiefgründigen Beziehung - zellebrieren. Was verursacht dieses beinahe krankhafte Verhalten, ein Buch nach dem Ende noch anzustarren, als würde es eine neue Geschichte erzählen?

Doch trotz all diesen Bemühungen liegt eines fest - Das Ende steht geschrieben.

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