Samstag, 30. Januar 2010

Frisches Gemüse?

Mir gegenüber steht eine Karotte.
"28 Franken, wären es dann." Im ersten Moment realisiere ich nicht, dass mit mir gesprochen wird. Ich starre die Karotte weiter an. Sollte ich der netten Dame, die da an der Kasse steht, sagen, dass ich wohl in der Gemüseabteilung gestrandet bin, wo ich doch eigentlich dachte, ich sei in der Damenkonfektion? Ich blicke mich kurz um - eindeutig die Damenkonfektion.
Ich frage mich, was der armen Verkäuferin zugestossen ist, dass sie heute Morgen das Rougedöschen mit den orangen Buntstiften verwechselt hat, oder die Schminkkammer mit dem Kinderzimmer? Oder hat es heute Morgen Stromausfall gegeben, sodass sie sich im Dunkeln hatte anpinseln müssen?
Wie ich so überlege, schleicht sich ein schlechtes Gewissen in mir hoch. Sollte ich der Frau nicht sagen, dass sie aussieht, als ernähre sie sich nur von carotinhaltigen Gemüsesorten? Aber vielleicht gefällt sie sich ja so und ein Kommentar würde sie kränken oder gar wütend machen?! Ich schaue mich nach irgendwelchen Kameras um. Man kennt diese Berichte ja, in denen Gewaltverbrechen nachgestellt werden, um die Reaktionen der Passanten aufzuzeigen. Hier kann man zwar nur von einem Verbrechen gegen den guten Geschmack reden, aber wer weiss? Man sieht genug im Fehrnsehn, um zu wissen, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Ich möchte nicht gefragt werden, warum ich der Frau nicht gesagt habe, dass sie sich mal im Spiegel anschauen sollte (Und vor allem will ich nicht schon wieder ein blaues Plüschmikro unter die Nase gehalten bekommen). Doch da sind keine Kameras. Nur mein Gewissen, dass mich in den Hintern beisst.
Was also nun? Soll ich etwas sagen? Soll ich schweigen?
Ich drücke der Karrottenfrau das Geld in die Hand, schnapp mir meine Tüte und verschwinde, bevor doch noch jemand "Versteckte Kamera!" schreien kann.

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